Mit der Figur der Medea wird zunächst ein grausamer Kindsmord assoziiert,
doch an der Enkelin des Sonnengottes Helios und Sohn des Königs Kreon hängt
mehr als nur das.


Medea, die bis zum Wahnsinn liebende Frau, die ihre zwei Söhne aus
Rache an ihrem Ehemann ermordet. Euripides zeichnet in seiner Tragödie ein
Medea-Bild, welches keineswegs auf die Kindsmörderin beschränkt ist. Medeas
Herkunft als Enkelin des Sonnengottes Helios wird thematisiert, so entkommt sie
doch nach ihrer blutigen Tat mit dem Sonnenwagen. Außerdem ist sie eine
Zauberin. Auf vielen bildlichen Darstellungen ist Medea als Heilerin,
Pharmakologin und Magierin zu sehen und kann so beispielsweise auch Lebewesen
verjüngen. Bei Euripides greift Medea auf ihre Fertigkeiten auf diesem Gebiet
zurück, indem sie ihre Rivalin Glauke und deren Vater Kreon durch ein
vergiftetes Geschenk, ein Kleid und ein Kopfschmuck, ermordet. Aber die Figur
Medea setzt sich in Euripides‘ Tragödie nicht nur aus ihrer Herkunft und ihren
übernatürlichen Fähigkeiten zusammen: Medeas menschliche Seite spielt die weit
größere Rolle für ihr Handeln und ihre Entscheidungen. Ihre leidenschaftliche
Liebe zu Jason, die sie nicht nur zum Kindsmord treibt, sondern auch in der
Vergangenheit des Paares schon Opfer forderte, treibt das Geschehen voran.
Medea betrügt ihren Vater und bringt ihren Bruder um und zerstückelt ihn, um
Jason zu seinem rechtmäßigen Machtanspruch in seinem Heimatland und zur gemeinsamen
Flucht zu verhelfen. Auch dem unrechtmäßigen Herrscher von Jasons Heimat Jolkos,
Pelias, wird die List Medeas zum Verhängnis: Unter dem Vorwand eines
Verjüngungszaubers bringt sie Pelias‘ zwei Töchter dazu, ihren Vater zu zerstückeln
und zu kochen, mit dem Ergebnis, dass er nicht, wie das zuvor zu
Demonstrationszwecken von Medea gekochte Lamm, wieder aus dem Kessel herausspringt.
Zusammengefasst ist sie eine komplexe Person, die durch ihre Vielfalt
an Facetten das Geschehen beeinflusst und verändert.